Wie wichtig darf Instagram für mich und mein Lettering-Business sein?
Wie eine Krankheitswoche und eine Meisenfamilie mir die Gedanken zurechtgerückt haben
In der letzten Woche war ich richtig krank. Eigentlich bin ich es immer noch, aber immerhin kann ich jetzt sitzen und halbwegs klar denken.
Krank zu sein war natürlich erst einmal ätzend, aber dann sind meine Gedanken neue Wege gegangen es kamen interessante Erkenntnisse. Vielleicht nichts völlig Neues, das hatte sich die Wochen vorher schon angebahnt. Aber jetzt wurde es mir nochmal so richtig deutlich.
Krankheit schlägt Gewohnheit – runter mit der Instagram-Geschwindigkeit!
Wie das kam? Die ersten beiden Tage war ich wirklich zu platt um irgendwas zu machen. Ich hatte Fieber, habe viel geschlafen und ansonsten auf dem Sofa gelegen. Den Computer habe ich kurz angemacht, um meine Termine abzusagen, das Handy habe ich so gut wie gar nicht in der Hand gehabt. Bildschirmzeit: ein paar Minuten am Tag.
Dann kam der Mittwoch. Normalerweise poste ich mittwochs etwas. Aber ich konnte mich nicht aufraffen und dachte mir: „Naja, macht nichts, wenn ich mal einen Mittwoch nichts poste.“
In den nächsten Tagen habe ich bei Instagram vorbeigeschaut, um mich zu unterhalten und die Zeit rumzukriegen. Denn wirklich tun konnte ich immer noch nichts. Ich habe mir Zeit genommen, Beiträge zu lesen, zu kommentieren und auch Kommentare zu lesen. Wann mach‘ ich das sonst schon so ausführlich? Oder liest du wirklich jede Caption und schreibst auch noch etwas dazu?
Erste Erkenntnis: Instagram macht auf diese langsame Art viel mehr Spaß. Bist du sonst ein Schnell-Scroller? Macht dir das eigentlich Freude? Weißt du danach überhaupt noch, was du gesehen hast? Ich fand es echt entspannend, Beiträge in Ruhe anzugucken, zu lesen, mir darüber Gedanken zu machen. Ja, so kann ich das genießen. Es ist dann so ähnlich, als würde ich in einem Magazin blättern.
Was mir beim Lesen aufgefallen ist: viele viele beschweren sich über den Algorithmus. Darüber, dass ihre Beiträge nicht gesehen werden, dass sie keine Kommentare bekommen und dadurch das Gefühl bekommen, die ganze Arbeit sei umsonst. „Abhängig von der Gnade des Algorithmus“, schrieb jemand. Dass Instagram so viel Energie kostet, aber gleichzeitig eine Abhängigkeit da ist, die es schwer macht, sich einfach abzugrenzen.
Zu lesen, wie viel Macht diese kleine App über viele Menschen hat, fand ich… gruselig. Immerhin haben wir auch ohne Instagram ganz gut gelebt. Es gab auch vorher schon funktionierende Businesses. (Hä? Businesse? Wie heißt die Mehrzahl von Business?) Und jetzt machen sich so viele abhängig von diesem undurchschaubaren Algorithmus und können sich nicht lösen von diesen Herzchen? Ich nehme mich da gar nicht aus, habe mich ja in den letzten Wochen selbst oft genug beschwert und genervt mit den Augen gerollt.
Mit jedem Tag, den ich krank war, nichts postete, keine Story hochlud, kam mir das Ganze absurder vor. Mit jedem Tag wurde es mir auch ein bisschen egaler. Sicherlich würde der Algorithmus mich „bestrafen“, wenn ich so lange nichts tue und die bisher schon schlechte Reichweite wäre völlig im Eimer. Aber wäre das wirklich so dramatisch für mein Geschäft?
Was ist wichtiger: Instagram oder Meisen im Garten?
Dann ging es mir so ein bisschen besser und ich saß mit meiner Tasse Tee häufig im Garten, hustete so vor mich hin und schaute den Meiseneltern beim Futtersammeln zu. Tatsächlich hatten die Kinder und ich Glück: wir haben den Augenblick erwischt, in dem zwei kleine Meisen aus dem Kasten geflogen sind! So klein und planlos, wirklich süß. In den letzten Jahren haben wir diesen Augenblick leider nie miterlebt. Wir waren deshalb ganz aus dem Häuschen.
Sind das nicht die wichtigen Dinge im Leben? Gemeinsam draußen sitzen und kleine Meisen beim ersten Ausflug beobachten? Daran werden wir uns bestimmt noch lange erinnern. Wie lange erinnere ich mich an ein Reel? Gesehen, gelikt, vergessen. Vielleicht zeig ich es noch meinem Mann, wenn es besonders lustig war. Aber danach – abgehakt.
Auch die wichtigen Momente meiner Kreativität passieren nicht auf Instagram. Sie werden dort wahrscheinlich auch nie auftauchen, denn wenn ich filme, komme ich nicht in den Flow. Ich fühle mich dann beobachtet von diesem kleinen schwarzen Ding über meiner Schulter. Das Lettering macht keinen Spaß, es fühlt sich ernst an und ich komme mir gehetzt vor. Die kreativen Aha-Erlebnisse kommen sowieso nicht in filmreifen, ästhetisch schön anzusehenden Bildern daher. Es geht eher durcheinander zu, beim wilden Ausprobieren (Julia würde sagen „Gesudel“) entstehen auf einmal Farben und Formen, die so nicht planbar waren, aber ganz wunderbar ausdrücken, was ich eigentlich sagen wollte. Dabei zu filmen, bringt alles durcheinander und stört mich einfach massiv.
Was macht Instagram mit meiner und deiner Kreativität?
Ein neuer Beitrag, ein neues Reel, Instagram möchte ständig gefüttert werden. Alte Posts sind schnell nicht mehr wichtig, deshalb: mehr, mehr, immer Neues! Der Fokus auf schöne Bilder hat bei mir ganz klar dazu geführt, dass ich mich immer mehr aufs Ergebnis konzentriert habe. Wie soll diese Blüte aussehen? Was soll bei diesem Lettering herauskommen? Uuh, und das ist soo kontraproduktiv, wenn es darum geht, kreativ zu sein und Neues zu lernen. Der kreative Prozess ist oft nicht schön und dekorativ. Aber das kreative Ausprobieren ist das, was ich als Anfängerin unheimlich genossen habe. Das meditative Üben, die Zeit vergessen, der Flow. Das war doch der Grund, warum ich das Brushlettering nicht mehr aufhören konnte. Die Ergebnisse waren damals noch gar nicht so toll, sie waren zweitrangig. Das Tun war das Wichtige! Wie schade, dass der Fokus so verschoben wurde, weil eine App daherkam, die so hungrig auf schöne Bilder, aber leider nie satt zu bekommen war. Ob es schwierig wird, den Fokus wieder geradezurücken? Wieder zurück zum Prozess? Ich weiß es nicht, aber ich bin fest entschlossen, mich auf den Weg zu machen. Angefangen hab‘ ich jedenfalls schon: ein paar rote Aquarellstreifen haben mir gestern eine kleine Freude bereitet. Ist diese Freude an der Kreativität nicht viel wichtiger als ein paar sorgfältig geplante Motive, die auf dem winzigkleinen Handybildschirm für ein paar Stunden angezeigt werden?
In der letzten Woche gingen meine Gedanken also immer wieder zum: was ist mir eigentlich wichtig? Was möchte ich wirklich tun in meinem Leben? Wieviel Prozent meiner Gedanken dürfen sich um Instagram drehen? Die Antwort ist keine Zahl, sondern „deutlich weniger als bisher“.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass es mich zufriedener machen wird und meinem Business in keinster Weise schaden wird, wenn die Gedanken und Taten sich mehr auf andere Bereiche konzentrieren. Ich bin gespannt und freu mich auf einen Sommer mit vielen Ideen, die ich wirklich in die Tat umsetzen will! Mir fallen spontan schöne Holzlatten in der Garage ein, die noch auf ihre Bestimmung warten…
Das alles heißt übrigens nicht, dass ich jetzt völlig aus der Insta-Welt verschwinde. Ich mag meine netten Kolleginnen, die ich über die Zeit kennengelernt habe. Die ich jederzeit um Rat fragen kann. Die wahnsinnig lieben Followerinnen, die mich anfeuern und mir die schönsten Nachrichten schicken. Und ab und zu mag ich auch die Unterhaltung, die die App mir bietet (in meinem Feed finden sich mittlerweile gute Rezepte, schöne Gärten, Pferde, Sportanleitungen und ja, auch schöne Letterings). Aber Instagram soll einfach ein anderes Gewicht als bisher bekommen. Meine Gedanken haben wichtigeres zu tun.
Was sind deine Gedanken zum Thema? Ist bei dir Instagram auch ein Zeitschlucker, eine Quelle für Ärger und unschöne Gedanken? Oder hast du einen entspannten Weg der Nutzung gefunden? Ich freu mich, wenn du berichtest – vielleicht helfen deine Erfahrungen mir und auch anderen Leserinnen!